Viele Orte habe ich schon in meinem Leben bereist und auch als Solo Traveller kennengelernt. Immer von der Entdeckungslust getrieben. Diese Reise hat eine bleibende Erinnerung hinterlassen
Über Tel Aviv ins „Heilige Land“ und nach Palestina
Diese Reise werde ich nicht so schnell vergessen, weil sie fast als Travel F*ck up endete – bei der Ausreise, am Ende. Wenn ich mit Freunden über diese Reise spreche, sind Erlebnisse allgegenwärtig. Eine echte Travel Story that stayed. Die Orte, das Ankommen im Land. Das Unbegreifliche, das „Wo bin ich hier eigentlich“. Ist das ein Film? Ist das echt?
Vorbereitungen und Abreise in Berlin-Schönefeld und Ankunft in Tel Aviv
Als „professional Traveler“ kann ich mittlerweile gut einschätzen, welche Länder etwas intensivere Vorbereitungszeit brauchen und welche weniger. Europa ist ein Ponyhof, verglichen mit vielen anderen Ländern und Destinationen. Arabische Länder sind sehr unterschiedlich, von den Einreisebedingungen her neben kulturell-menschlich und geopolitischen Aspekten. Im Mahgreb sagte man mir einmal, „..Golfstaaten sind anders“. Und Israel? Es gehört zur Middle East Region, zur Region Mittlerer Osten – das wusste ich schon. Auch dass Tel Aviv als Mekka für LQBT Travel gehypt wird und eine Partystadt. Ein Aspekt, der nicht in den Mittleren Osten passte. Was erwartete mich dort? Neben einer Einladung der Tangocommunity (ein Netzwerk aus tangotanzenden Menschen) Tel Aviv für einen Workshop? Puzzled. Den Kopf voller Fragezeichen.
Abreise Berlin:
Ich hatte mich gut informiert. Freunde und Bekannte sagten mir, ich bräuchte einen neuen Pass, mit meinen 23 arabischen Stempeln in meinem aktuellen Pass würde ich nicht einreisen können.
Wie bitte? Man würde mich aufgrund meiner Reisehistorie wieder ausweisen? Das glaube ich nicht. Doch, ist schon passiert. Aha. Hintergrund der 23 arabischen Stempel: seit 2014 organisiere ich Individualreisen, lange für Tangotänzer von Deutschland aus nach Tunesien. Weshalb auch meine Einladung nach Tel Aviv erfolgte. Über eine einschlägige Facebookgruppe ist man dort auf mich aufmerksam geworden und dachte, ich könnte vielleicht auch einmal eine Gruppe Tangotänzer nach Tel Aviv bringen.
Entgegen der Ratschläge habe ich mich gegen die Beantragung eines neuen Passes entschieden. Ich habe die Einreise durch den Flughafen JFK / New York nach einem Kreuzverhör in einer Zelle von zwei US Polizisten überstanden – das würde ich auch schaffen. Sollte ich tatsächlich wegen der „falschen Stempel“ in meinem Pass wieder ausgewiesen werden – dann war es wenigstens den Panoramaflug wert, sagte ich mich mir. Ein Land das mich aus solchen Gründen ausweist, muss ich nicht betreten.
Check-in Berlin-Schönefeld morgens um 5 Uhr, BER war im Februar 2019, zum Zeitpunkt meiner Reise, noch nicht eröffnet. Die mir bekannte längere Zeit vor dem Check-in wegen intensiver Sicherheitskontrollen hatte ich im Kopf auf dem Weg zum Flughafen. Am El Al Schalter angekommen, war alles relativ normal, nur ein paar Formulare mit Fragen, die ich zu der für mich normalen Sicherheitskontrolle ausfüllen musste. Die Strecke Berlin-Tel Aviv wurde 2019 von El Al und easyjet bedient. Ich flog morgens um 7.30 Uhr ab. Somit war ich 2,5 Std. früher am Flughafen. Mein Flugzeug war 1/3 besetzt und nach 3,5 Std. Flugzeit über das Mittelmeer erreichte ich mein Ziel. Das hatte ich lange nicht mehr, in in einem für mich fast leerem Flieger zu reisen. Meine Stimmung stieg, neben der Aufregung ein neues Land zu entdecken, mit einer mir doch sehr vertrauten Kultur. In den USA habe ich 2 Jahre in einem Kosher Haushalt mit einer jüdischen Familie, russische Einwanderer aus Brooklyn, gelebt, daher kannte ich die Rituale, die Werte, den Lebensstil der Bevölkerung gut. So gut, dass mein Mindset es gar nicht erst nicht zuliess, dass ich vielleicht sofort nach Ankunft wieder in den Rückflug antreten würde wegen vermeintlicher arabischer Stempel in meinem Pass. Und nicht irgendwelche arabischen Stempel. 23 Stempel von einem Land der engsten Vertrauten und Brüder der Palestinenser, Tunesien.
Anflug und Einreise Tel Aviv, Ben Gurion Flughafen:
Schon der Anflug auf Tel Aviv war besonders: Vom Flieger aus konnte ich das Land gut sehen und entdeckte immer wieder vereinzelte weiße Hochhaus-Gruppen. Die hoben sich von der bergigen, teils Wüstenlandschaft ab. Es waren keine Siedlungen oder Orte, eher immer Ansammlungen von weißen Häusern Häusern, die in den Himmel ragten. Im Verlauf meiner Reise erfuhr ich, dass es die umstrittenen „Settlements“, die Siedlungen waren. Von Israelis illegal besetztes Land. Ein griechisch-orthodoxer Reiseleiter zeigte mir ein paar Tage später weitere Siedlungen von einem Dach in Bethlehem aus.
Meine Spannung stieg. Ja, ich war aufgeregt. Wie schon lange nicht mehr vor einer Ankunft in einem mir unbekannten Land. Viele Passagiere im Flugzeug waren Israelis, Pendler, mit Wohnsitz in Berlin, stellte ich im Nachhinein fest, einige gehörten zu Reisegruppen, die erwartet wurden und ein Engländer, David. Der mein Einreisegefährte wurde. Wir sind während des Fluges ins Gespräch gekommen – und David war ebenfalls unsicher, ob er Einreiseproblem bekommen würde. Es ist bekannt das Einzelreisende schneller in Verdacht geraten potenzielle Terroristen zu sein. Dann hatten wir eine Idee, sicher ist sicher: Wir gaben uns als Paar aus, gingen zusammen zur Passkontrolle.
Er vor mir, ich folgte. „Susanne Stukenberg“ sagte der Zollbeamte, las mir noch einmal meinen Namen vor, blätterte nicht einmal durch die Seiten meines Passes. Süßer und deutscher könnte ein Passfotos eines blonden Mädchens nicht aussehen – und mit einem jüdisch klingenden Namen – Freie Fahrt. Ich wenigen Sekunden war ich durch! David und ich verabschiedeten uns und ich ging weiter zum Gepäckband.
Ohne Moos nix los – auch im Mittleren Osten
Geld wechseln wollte ich noch schnell vorher. Leider fand ich keine Wechselbüros / Banken, im Flughafen Ben Gurion, nur Geldautomaten. OK – dann eben mit Visa-Karte. Dreimal falsche Pin Nr. eingegeben – zack, gesperrt. Ok … I will figure it out. Ich hatte noch zwei andere Karten, allerdings EC / Maestro und erstmal wollte ich einfach den Flughafen verlassen. Nur wie, ohne Schekel, die Landeswährung? Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich das Bahnticket unten im Flughafen am Automaten und an einem Schalter kaufen konnte, gegen Unterschrift bei Kartenzahlung einer Visa-/Mastercard. Die hatte ich ja.
Erste Eindrücke:
Flughafen-Bahnsteig, Tel Aviv by night und Old Jaffa



So klein ist die Welt: Am Gepäckband treffe ich einen Kunden aus Berlin
Ich ließ es erst einmal auf mich zukommen. Euros hatte ich, da sollte ich schon irgendwie nach Tel Aviv in mein Hotel kommen. Dann, am Gepäckband den ersten Bekannten getroffen, besser: Stammkunden meines ersten Unternehmens, NOSOLOTANGO – Mode & Schuhe aus Buenos Aires mit dem ich auch mittlerweile befreundet war. Er hat eine Wohnung in Berlin, ist mit seiner Frau aktiver Tangotänzer und lebt in beiden Städten und hat einem Sohn der der in Berlin studierte. Efram hat mit seiner Frau regelmäßig meine Geschäfte aufgesucht, zwecks wichtigster Ausrüstung für Tangotänzer, die Schuhe.
„Oh hello Effi! Nice to see you, I made, it to Tel Aviv, so happy. Oh, so cool you are coming to my workshop and practise with Joseph tomorrow! Just a question: can you change me some Euros for Schekel?“
„Look, I am giving you 100 Schekel. This is 25 Euros and you can give them back to me anytime, here or in Berlin“. What a welcome! LOVE. Feeling at home instantly. Ich liebe dieses Land und ihre Menschen schon, ohne dass ich den Flughafen verlassen habe!
Zugfahrt nach Tel Aviv in die City
In einem hochmodernen Flughafenbahnhof mit ebenso modernen Zügen, wie ich es nur von Europa her kannte, fuhr ein Zug, halbstündlich von Ben Gurion Airport nach Tel Aviv ins Stadtzentrum. Auf der Plattform erste Gespräche mit Reisenden, amerikanischen Austausch-Studenten. „I am from L.A. and doing my exchange year here – and you?“ Wow, Austausch Studenten aus den USA, so jemand ist mir in Nordafrika oder Ägypten noch nicht begegnet. Das war neu für mich, das es soetwas gab, für ein Auslandsstudium für ein Jahr im Mittleren Osten. Deutsche Unis boten das nicht an, soweit ich informiert war. Die Hintergründe kannte ich damals noch nicht, wusste nicht, dass es einen weltweiten Austausch innerhalb der jüdischen Communities gibt, diese Studenten mit einer Art Stipendium ihr/ ein Auslandsjahr in Israel machen können, das auch Flugkosten abdeckt. Sprich: sie sind finanziell abgesichert, wenn sie einen USA-Israel Austausch antreten.
„Nice, I am here to explore the country and for some tango. Joseph from the Tel Aviv Tango Community invited me “. What? Making a long Story short…: Ich erklärte ihm kurz meine Reise und die Beweggründe, die Einladung der israelischen Tangocommunity. Die Zugfahrt Richtung Stadt erfolgte in einem klimatisierten Zug, mindestens so modern und sauber wie ein ICE der Deutschen Bahn. Ich saß in einem großzügigen Vierer-Sitz, mit 2 Plätzen gegenüber alleine und ein Herr gesellte sich zu mir, lächelte mich an, begrüßte mich. Heaven! Ja, ich liebe dieses Land! Alle sind so offen und freundlich! Woher kommen Sie? Aha. Was machen Sie? Ahh, interessant. Wo wohnen Sie in Tel Aviv? Florentin? Das ist schön, ja. Ich zeige Ihnen gerne, welchen Bus Sie nehmen müssen, wenn sie aussteigen, dann brauchen Sie kaum laufen. Wunderbar!
In welchem Hotel wohnen Sie?
Das ging mir jetzt doch zu weit. Vielen Dank, ich finde es bestimmt! Die Straße ist nicht so lang und ich habe schon gesehen wie ich gehe. Auf Wiedersehen! Ich war kurz nachdenklich, aber was solls, vielleicht wollte er mich doch anbaggern….obwohl als Anwalt, so stellte er sich vor, und mit Anzug, sah er nicht so aus, wie ein typischer „TouristInnen-Abschlepper“.
Check-in in Florentin
Alles easy-peasy. Ein Viertel wie ich es im Mittleren Osten nicht erwartet hätte. Kleine Straße, Bars, Bäckereien, Galerien, Geschäfte und Plätze – und ein Wechselbüro auf so einem Platz mit Bänken und grün. Florentine gilt als das alternative Viertel, das Künstlerviertel von Tel Aviv. Der Vibe hat mich gleich in seinen Bann gezogen. Gut überwiegend aussehende Menschen sitzen vor den Cafés und Bars, mit einem Glas Wein auf dem Tisch, Kaffee trinkend, plaudernd – wie bei uns, einen modernen Lifestyle lebend. Nach dem ich mein Hotel bezogen habe, bin ich gleich in die Stadt, Richtung Meer, die Corniche suchend und findend. Es war ein toller Spaziergang zum Abend. Aber wie überall im Mittelmeer üblich, wird es auch in Tel Aviv früh dunkel. Um 18.30 Uhr war ich am Meer einige hundert Meter von Old Jaffa entfernt.
Dort habe ich an einem Kiosk noch einen Weißwein bestellt und mit Blick auf die grandiose Skyline von Tel Aviv, eine Großstadt am Meer, eingesaugt. Eine Atmosphäre, die ich nicht erfassen konnte. Wo war ich? Miami? New York? Rio? Nein, viel zu europäisch. Schöner. Ich fühle mich wohl. Wie auch nicht, in einer Metropole am Meer. Müde und voller Eindrücke, die ich nach und nach verarbeiten sollte, bin ich an meinem Anreisetag in 2 Minuten eingeschlafen.
Florentin: Künstlerviertel mit alternativem Charme
Dieses Viertel hat mich ein bisschen an meinen Studienzeit in Bremen, das Steintoriertel und an meine ersten Jahre in Berlin-Mitte ab 2005 erinnert. Galerien, teils improviesiert in leeren Gewerben eingerichtet und ein sehr entspannter Lebensstil der Bewohner haben mich beeindruckt. Alles fußläufig zu erreichen. Wie viele Orte in Tel Aviv übrigens. Florentin liegt auch nahe zum Meer, so dass ich die nächste Gelegenheit gleich genutzt habe dort einen Sneak Peak an den Stadtstrand zu machen. Was soll ich sagen? Baywatch war hier:)

Old Jaffa Führung mit düsterer Nazigeschichte
Nach Rugelach (ein typisch jüdisches Gebäck und eine Mischung aus Croissant und Franzbrötchen mit unterschiedlichen Füllungen) und Kaffee zum Frühstück wollte ich zuerst den Stadthügel, Old Jaffa, ein Teil von Tel Aviv besuchen. Diese Stadt und Ihre Geschichte hat mich schon während meiner Reisevorbereitungen fasziniert. Auf dem Weg zum Hügel (Old Jaffa liegt erhöht) gibt es eine großartige Aussicht auf die südöstliche Mittelmeerküste Richtung Gazastreifen zur einen und in den Libanon zur anderen Seite. Wer das Mittelmeer liebt, dessen Herz wird hier höher schlagen.
Meine Gruppe fand sich auf einem verabredeten Platz in Old Jaffa ein. Die Führerin war eine isralische Agrar-Ingenieurin, ambitioniert und sehr motiviert – sie gefiel mir auf Anhieb. Es gab einen Rundgang durch diesen zauberhaften Ort auf einem Hügel, malerisch gelegen, kleine Straßen mit Kopfsteinpflaster die zu den Aussichtspunkten führten. Einer war auch ein ehemaliges Gefängnis, mitten auf dem Hügel. Heute ist es ein Luxushotel, The Setai. Die Stadtführerin erklärte, dass dieses Gefängnis bin die 2000er Jahre noch in Funktion war, und zeigte uns von unten auch ein kleines Fenster was zur Zelle von Adolf Eichmann gehörte. Adolf Eichman hat hier noch 2 Tage eingesessen nachdem er von Mossad in Buenos Aires entdeckt und entführt wurde. Eichmann wurde in Israel exekutiert.



Tel Aviv
Eine Metropole, die mich in den Bann gezogen hat, auf den ersten Blick. Eisenbahnbrücken, Highways, Wolkenkratzer. Ich war geflasht. Wo bin ich? Ging es mir durch den Kopf. Im Mittleren Osten? Ist das hier schon? Was ich wußte: Es ist nicht der Standard für den Mittleren Osten, dass Städte so aussehen. Was meiner Begeisterung aber nicht schmälerte. Mit einem Bus fuhr ich ab der Bahnstation ein paar Stationen bis ich in das Viertel in dem mein Hostel lag laufen konnte: Florentin. Ich habe mich sofort verliebt. Weinbars, Restaurants mit orientalischem Essen, wechselten sich ab mit Bäckereien mit reichlich Rugelach in den Auslagen. Ich liebe zimtiges zum Frühstück by the way…mein Ort! Nach Check-in gab es noch einen Spaziergang am Meer und einen Absacker in Form eines Weißweins bei einem Kiosk. Supermüde und voller Eindrücke, die ich nach und nach verarbeitet habe, bin ich an dem Tag in 2 Minuten eingeschlafen.
Jerusalem
Nach fast 3 Tagen Tel Aviv wollte ich jetzt weiter eintauchen, unbedingt die Al-Aqsa Moschee sehen, den Tempelberg, die Klagemauer, die Altstadt und auch die Synagoge natürlich. Wissen, wie das Zusammenleben zweier Völker & Religionen wirklich funktioniert. In Tel Aviv habe ich das nicht wirklich mitbekommen. Auch wenn die Altstadt Old Jaffa hieß, kam es mir nicht so vor dass es das oder ein Zuhause für muslimische Bewohner war. In Tel Aviv waren Palestinenser bestimmt in der Minderheit, so mein Gefühl. In Jerusalem hat es sich schon etwas anders angefühlt. Die muslimische Bevölkerung war sichtbarer für mich. Vielleicht lag es an der berühmten Altstadt, dort gibt es eine hohe Bevölkerungsdichte im muslimischen Viertel. Die Altstadt ist aufgeteilt in 4 Viertel, ein muslimisches, ein christliches, ein jüdisches und ein armenisches Viertel. Das muslimische ist das größte Viertel.
Mein erster Besuch galt der Klagemauer. Das war etwas besonderes. Und offensichtlich ein Ort für viele orthodoxe Juden. Deren Ritual, die Wunschzettelchen in die Ritzen der alten Stadtmauern zu stecken hat mich sehr berührt. Ich wußte nichts über dieses Ritual und den Gebrauch und fand ihn sehr schön. Am Ende des Tages wurde der Hof immer gefegt, die zerknüllten Zettelchen, fielen irgendwann aus den Ritzen heraus und wurden dann vom Hausmeister weggefegt. Wenn man diese Ort betritt, sollte man sich auf strenge Sicherheitskontrollen einstellen. Irgendwo ging immer ein Alarm los. Das hat dem Eintauchen in diese Welt aber keinen Abruch getan.
Mea Shearim: Abschottung und Touristen-Attraktion
Touristen sind nur geduldet, wenn sie sich entsprechend kleiden, sollte man vorab wissen. Anders als in Tel Aviv befindet man sich in einem ultraorthodoxen Viertel außerhalb der Stadtmauer. Hier gibt es nicht nur streng kosheres Essen sondern auch Kosher TV und Kosher Smartphones. Was bedeutet: Kein Internet, kein Zugang zur Nachrichten der Welt, zu dem was sich außerhalb des Viertels abspielt. Ich bin mit einem Israeli-Guide unterwegs gewesen und konnte mir somit auch die Meinung der Bevölkerung holen. Viele Israelis haben kein Verständnis für diese Lebensweise. Sie belastet auch das Sozialsystem. Die Juden in Mea Shearim arbeiten nicht, wurde mir erklärt, sie leben auf einer Art Sozialhilfe, Wohnungen werden vom Staat bezahlt sobald das Paar verheiratet ist. Als Gegenleistung müssen die Frauen Kinder bekommen, möglichst viele und die Männer die Thora studieren. Viele modern denkende Israelis teilen diese Lebensanschauung nicht, sei bemerkt. Wenn man durch die Straßen von Mea Shearim geht, fällt auf, dass die Männer immer sehr busy und zielstrebig auf den Bürgersteigen an den Menschen vorbei huschen. Warum? Diese Männer dürfen nicht links oder rechts gucken, es könnte ein Frau in das Sichtfeld geraten und sie vom Thora-Studium ablenken.
Für mich war es wie eine Zeit- und/ Weltreise in etwas längst vergangenes. Die Bäckereien haben mein Herz höher schlagen lassen: Ich habe ORIGINAL Buenos Aires Medialunas entdeckt. Ins Gespräch kommen mit Einheimischen war hier unmöglich – ich hätte auch nicht gewusst über was, da diese Menschen in einer komplett anderen Welt leben, fernab von Nachrichten und Weltkenntnis.
Tatsächlich bin ich in Jerusalem nur mit dem Guide und einem italienischen Paar aus Sizilien in Kontakt gekommen. Alle Touristen in meinem Hotel gehörten zu geschlossenen amerikanischen Reisegruppen, die mit eine Coach unterwegs, auf Rundreise waren. Auf dieser Reise habe ich gemerkt, dass es wenige Solo-Traveler hier gab. Im Nachhinein habe ich es auch verstanden. Stichwort Sicherheit.
Durch die Westbank nach Bethlehem
Eigentlich wollte ich für einen Tag ans Tote Meer, es war Februar, kalt, Nieselregen und ich wollte in die Wärme. Das Tote Meer liegt unter dem Meerespiegel und die Temperaturen im Februar liegen um die 22°C, also noch schön warm. Leider gab es aber nur eine Fahrt mit einem Coach (mit 50 amerikanischen Touristen in einem Bus) dorthin inkl. Hotelübernachtung. Auf eigene Faust nicht so einfach. Also erkundigte ich mich, was ich unabhängig und sicher machen konnte. Ramallah, Hebron vielleicht. Leider gab es keine öffentliche Busverbindung dorthin. So dass ich mich für Bethlehem entschied. Nazareth war auch in der Nähe – und meine Neugierde zog mich. Es gab außerdem eine öffentliche Busverbindung für 6,5 Schekel = 1,50 Euro. Abfahrt unterhalb der Altstadt mit einem Minibus. Die Größe hat mich an Mexiko erinnert. Dort hießen diese Busse Peseros (von peso, Gewicht, weil sie Gewicht trugen und bewegten). Aus Jerusalem raus ging es durch von Mauern zerklüftetes Land.
Mauern, Elektrostacheldraht und Checkpoints
Die Fahrt ging viele Kilometer an hohen Mauern mit Stacheldraht oben abgesichert entlang. Grenzen und Mauern soweit das Auge reichte und auch einige Checkpoints. Die blieben mir besonders in Erinnerung. Warum? Ich war die einzige „Privilegierte“ Reisende weil einen roten Pass neben einer chinesischen Familie auf der Rückbank des Busses. Zwei Soldaten stiegen mit Maschinengewehren im Anschlag in Bus. „Passports!“ Ok, ok…ich kramte in meiner Tasche und er wurde nicht mal angefasst. Er war ja rot, Bundesrepublik Deutschland…Bei den Chinesen war es genauso.
All others out! All others waren Palestinenser. Pendler zwischen der Westbank, Bethlehem und Jerusalem die Waren verkauften oder in Jerusalem arbeiteten. Draußen gab es ein Zollhaus, wo die Pendler sich in einer Art Laufgehege anstellen mussten um ihre Pendelpapiere vorzuzeigen. Es nieselte. Ein weiterer Grenzkontrolleur stand mit Maschinengewehr im Anschlag neben dem Häuschen und bewachte das Procedere während er an einer Zigarette zog. Die Palestinenser standen im Nieselregen, die beiden unterhielten sich. Irgendwann öffnete sich das kleine Fenster vom Häuschen und die Papiere wurden nacheinander vorgezeigt. Alles aus dem trockenen Bus beobachtend, fühlte ich mich schlecht, weil ich als Tourist mit meinem rotem deutschen Pass, dieses Procedere nicht durchstehen musste. Es fühlte sich unangenehm an, diese Erniedrigung von Menschen so mitzuerleben, im Jahr 2018.
Die heilige Stadt, von Mauern umzäunt
Bethlehem, im Westjordanland, im Norden an Jerusalem angrenzend, für die Christen der Geburtsort Jesus. Mit knapp 30.000 Einwohnern gehört sie staatsrechtliche zu den Palestinensischen Autonomiegebieten. Was ich nach dieser Reise sehr in Frage stelle.
…to be continued!
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